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Haben Surfbretter eine Seele?

Nein, totaler Quatsch, ein Teil aus Schaum, Harz, Glas- und Kohlefaser ein Seele? So dachte ich bis vor kurzem auch noch….

Mein Slalombrett hab ich mir gebraucht gekauft, es sah schon ein wenig sehr gebraucht aus. Hier und da eine kleine Macke, da und dort ein Kratzer im Lack. Mit ein bisschen Liebe und noch mehr Schleifpapier, Spachtelmasse und Lack strahlte es bald wieder. Auf dem Wasser trägt es stolz seinen Stempel auf dem Bug, der darauf hinweist, dass es einmal für die Slalomrennserie der PWA (der Professional Windsurfing Association) registriert wurde. Mit seinem ersten Besitzer ist mein Brett also schon um die ganze Welt geflogen und gegen die besten Slalomfahrer gefahren.

Mit mir ist es schon immer sehr schön gefahren, natürlich nie wieder so schnell wie mit seinem ersten Besitzer. Von einer Top-ten Platzierung in einem Slalomheat bin ich fahrtechnisch weit weit entfernt und manchmal hatte ich so ein Gefühl, wie wenn mein Board etwas traurig darüber ist.

Vor kurzem war ich wieder damit auf dem Wasser. Der Wind war sehr gut, ich war recht schön unterwegs als plötzlich hinter mir ein anderer Surfer auftauchte. Auch sein Board trug stolz seinen Stempel von der PWA Registrierung auf dem Bug. Plötzlich verselbstständigte sich mein Board. Es fiel auf einen etwas raumeren Kurs ab, beschleunigte auf eine unheimliche Geschwindigkeit, ich hielt alles nur noch fest, ich wurde gesurft, statt selbst aktiv irgendetwas zu machen.

Aber ich war nicht alleine. Der andere Surfer, der bis vor kurzem hinter mir war, wurde von seinem Board ebenfalls beschleunigt. Die Boards kamen sich näher und wurden immer noch schneller. Mit rasendem Puls und weit aufgerissenen Augen flogen wir nur noch so über das Wasser. Eine etwas in Lee liegende Boje und der direkt darauf ausgerichtete Kurs unserer Boards machten mir klar wohin die Reise gehen würde. Mit jeder kleinen Böe beschleunigte ich weiter, ebenso wie mein Gegner. Die Boards waren in ihrem Element, fühlten sich sichtlich wohl, taten wofür sie gebaut wurden.

Mit irrsinnigem Speed ging es in Richtung Boje und mir fiel mit Schrecken ein, dass ich mal gelesen hatte, dass des bei den professionellen Regatten keine Regeln gab. Genauso benahmen sich die Boards, beide fuhren Kampflinie, keines gab freiwillig einen Zentimeter her. Wohl exakt zum richtigen Zeitpunkt bog mein Board in die Halse ab, die Geschwindigkeit kein bisschen reduziert. Ebenso das andere Board. Ich hätte nie geglaubt, so eine Halse fahren zu können, ich denke mein Gegner auch nicht und in diesem Punkt hatten wir uns auch nicht getäuscht. Die beiden Boards interessierte das aber nicht, irgendwie hatte ich mein Segel geschiftet, stand kurze Zeit wieder in den Schlaufen und es ging mit dem gleichen mörderischen Speed in die andere Richtung. Mein Gegner ebenso. Mit wenigen Metern Abstand jagten wir beide über das Wasser. Dass meine Kondition, mein Körper und mein Fahrkönnen für so eine Jagd nicht gemacht sind, merkte ich aber recht bald, ich verkrampfte und es kam was unvermeidlich war. Beide lagen wir plötzlich im Wasser und realisierten langsam was gerade wirklich passiert ist.

Einige Boards haben eine Seele, auch wenn sie einem meist recht gutmütig vorkommen. Sie erdulden gutmütig jede vergeigte Halse, ertragen es, wenn sie langsam übers Wasser gleiten, statt mit Fullspeed zu fliegen. Nur wenn sich zwei Vollblutrenner treffen, dann können sie nicht anders, dann tun sie wozu sie gemacht wurden und es ist ihnen vollkommen egal, wer auf ihnen steht.